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18.09.2020

Gastbeitrag: Zur Unwirksamkeit von Beitragserhöhungen in der privaten Krankenversicherung


Versicherer kündigen regelmäßig zum Jahresende bevorstehende und oftmals erhebliche Beitragserhöhungen an. Über die Jahre führen diese Prämienanpassungen zu teils massiven Beitragssteigerungen in der privaten Krankenversicherung. Diese Anpassungen waren Gegenstand mehrerer Verfahren, die für Versicherungsnehmer von erheblicher Bedeutung sein können. Verschiedene Gerichte haben sich bereits mit den Anforderungen an die Beitragserhöhungen auseinandergesetzt, diese teilweise für unwirksam erachtet und den Versicherer zu Rückzahlungen verurteilt. In einem Gastbeitrag erklärt Rechtsanwältin Birte Raguse von der Kanzlei Komning wie privat Krankenversicherte von diesen Entscheidungen profitieren können.

Warum können Beitragserhöhungen unwirksam sein?

Versicherer können ihre Beiträge nicht beliebig erhöhen. Es sind strenge Voraussetzungen zu erfüllen. Erforderlich ist u.a., dass eine gravierende Veränderung der maßgeblichen Rechnungsgrundlage vorliegt, welche sich auf die Prämienkalkulation auswirkt. Der Versicherungsnehmer ist über diese maßgeblichen Gründe zu informieren (Begründungserfordernis). Gesetzlich nicht geregelt ist jedoch, was unter der „Mitteilung der maßgeblichen Gründe“ zu verstehen ist und welche Angaben diese im Einzelnen enthalten muss. Einigkeit besteht darin, dass die Mitteilung die Umstände benennen muss, die die Neufestsetzung der Prämie inhaltlich rechtfertigen. Die Gerichte sind jedoch hinsichtlich der Frage, in welcher Ausführlichkeit dies zu geschehen hat, unterschiedlicher Auffassung.

Was geschieht bei einer unwirksamen Beitragserhöhung?

Wurde die Erhöhung nicht wirksam begründet, kann der Versicherungsnehmer die insofern ohne Rechtsgrund geleistete Beitragserhöhung plus Zinsen zurückfordern bis der Versicherer eine korrekte Begründung nachgereicht hat.

Welche Beitragserhöhungen waren unwirksam?

Es werden nicht bei allen veröffentlichen Entscheidungen auch die zugrunde liegenden Tarife der Versicherer benannt. Aktuell sind insbesondere zwei oberlandesgerichtliche Entscheidungen:

OLG Köln, Urteil vom 28.01.2020, Az. 9 U 138/19 (AXA): Beitragserhöhungen im Tarif EL Bonus zum 01.01.2014 und 01.01.2015 sowie die des Tarifs Vital-Z-N zum 01.01.2014.

OLG Köln, Urteil vom 29.10.2019, Az. 9 U 127/18 (AXA): Beitragserhöhungen im Tarif ECORA 1300 zum 01.01.2015 und zum 01.01.2016 sowie die Beitragserhöhung für die zahnärztliche Heilbehandlung im Tarif 541 zum 01.01.2015.

LG Frankfurt, Urteil vom 16.04.2020, Az. 2-23 O 198-19 (Barmenia): Beitragserhöhung  im Tarif VC3P mit GZN10 zum 01.01.2010, 01.01.2011, 01.01.2012,  und zum 01.01.2016 sowie die im Tarif KT42 zum 01.01.2011, 01.01.2012 und 01.01.2018.

LG Neuruppin, Urteil vom 25.08.2017, Az. 1 O 338/16 (AXA): Beitragserhöhung im Tarif Vital 250 zum 01.01.2010, zum 01.01.2012 und zum 01.01.2016, die Beitragserhöhung im Tarif Z Pro zum 01.01.2010 sowie die in dem Tarif TV42 (KT) zum 01.01.2012 und zum 01.01.2013.

Wie hoch waren die Rückforderungsansprüche?

Im Fall der AXA sprach das OLG Köln 2020 (Tarife EL Bonus und Vital-Z-N) einen Rückforderungsanspruch in Höhe von rund 3.600,00 EUR und 2019 (ECORA 1300, Tarif 541) in Höhe von 6.000,00 EUR zu. Das LG Neuruppin hatte die AXA zur Rückzahlung von 8.250,00 EUR (Tarife Vital 250, Z Pro und TV42) verurteilt.

Im Falle der Barmenia (Tarif VC3P mit GZN10 und KT42) soll sich der Anspruch auf knapp 10.000,00 EUR belaufen.

Sind die Urteile rechtskräftig?

Derzeit nicht. Die AXA hat gegen die Urteile des OLG Köln Revision beim Bundesgerichtshof eingelegt und das OLG Frankfurt hat über die Berufung der Barmenia zu entscheiden. Ausweislich der Terminankündigungen wird eine Entscheidung durch den Bundesgerichtshof wird in diesem Jahr nicht mehr erfolgen. Daher sollte noch in diesem Jahr gehandelt werden.

Ist es ratsam, schon jetzt gegen Beitragserhöhungen vorzugehen?

Unbedingt. Unter Zugrundelegung der Auffassungen der o.g. Gerichte verjähren mit Ablauf des 31.12.2020 alle Rückforderungsansprüche für Beitragserhöhungen, soweit sie nach dem 01.01.2017 gezahlt wurden. Soweit in diesen Prämien unwirksame Beitragserhöhung aus früheren Jahren (z.B. aus 2015) enthalten sind, können auch diese zurückgefordert werden. In den Beiträgen, die im Jahr 2019 gezahlt wurden, können demnach also unwirksame Beitragserhöhungen aus den Vorjahren enthalten sein, die zurückgefordert werden können. Daraus ergeben sich die hohen Beträge, die den Versicherungsnehmern zugesprochen worden. Die jeweiligen Erhöhungen pro Jahr/pro Tarif waren nicht so gravierend, wie man eventuell vermuten mag.

Welche Vorgehensweise ist sinnvoll?

Zunächst muss geprüft werden, ob die Begründungsschreiben zu den Beitragserhöhungen noch vollständig vorliegen. Ist dies nicht der Fall, müssten diese bei dem Versicherer angefordert werden. Sobald diese vollständig vorliegen kann geprüft werden, ob ein Rückforderungsanspruch in Betracht kommt.

Welche Kosten entstehen durch die Prüfung?

Ich übernehme für Sie eine kostenfreie erste Einschätzung, ob bei Ihnen Rückforderungsansprüche in Betracht kämen. Hierfür benötige ich lediglich die zu prüfenden Anschreiben. Wichtig ist dabei, dass diese vollständig (jeweils und für alle Jahre) vorliegen. Zudem lasse ich Ihnen gerne eine Excel-Tabelle zukommen, in welche Sie zu Ihren einzelnen Tarifen die jeweilige Prämie in dem genannten Jahr und darunter die jährliche Steigerung in EUR im Vergleich zum Vorjahr eintragen können. Dies erleichtert die Ermittlung der Höhe des Anspruchs.

Wenn Sie eine Überprüfung Ihrer Beitragserhöhungen wünschen, nehmen Sie gerne Kontakt zu mir auf. Sie erreichen mich unter der Telefonnummer 040/609 436 70 oder unter birte.raguse@komning.com.

Rechtsanwältin Birte Raguse
Fachanwältin für Versicherungsrecht

 


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